Nutzen Sie den Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“
Der Expertenstandard ist für Patienten mit akuten und chronischen Tumorschmerzen entworfen worden. Die meisten Ihrer zu Pflegenden leiden aber unter chronischen Verschleißerkrankungen, die mit großen Schmerzen einhergehen können. Trotzdem liefert Ihnen der Expertenstandard eine gute Orientierung für Ihr Schmerzmanagement. Mehr zu dem Expertenstandard erfahren Sie nun in diesem Kapitel Ihres E-Learnings.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind kommt von der Schule und klagt über Bauchschmerzen. Wie gehen Sie vor, um ihm zu helfen?
Sie stellen in der Regel folgende Fragen:
Wo schmerzt es besonders?
Wann schmerzt es immer?
Wie ist der Schmerz?
Wie stark ist der Schmerz?
Diese Fragen sind für die Schmerzanalyse sehr wichtig. Da der Schmerz aber auch eine Vorgeschichte hat, werden Sie Ihrem Kind noch weitere Fragen stellen:
- Wann hat es begonnen?
- Was hast du heute gegessen?
- Warst du schon zur Toilette?
- Hast du deine Mathearbeit zurückbekommen?
- Hattest du Ärger?
Gehen Sie in der Schmerzerfassung systematisch vor
Schon dieses Beispiel verdeutlicht, dass Sie systematisch vorgehen, wenn Sie nach der Ursache des Schmerzes suchen. Und genau diese Systematik fordert auch der Nationale Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ von Ihnen.
Erfragen Sie also Schmerzen bei Ihren Bewohnern nach dem Ort, der Intensität, etwa mithilfe der abgebildeten Skalen zur Selbsteinschätzung, der Qualität, z. B., wenn der zu Pflegende sagt: „Es brennt und reißt“, und der Rhythmik, das heißt, Sie erfassen, wann der Schmerz immer auftritt.
Bei Ihren Pflegekunden haben Sie zusätzlich noch die Möglichkeit, in die Nebendiagnosen zu schauen. Nicht selten leiden Ihre zu Pflegenden an Krankheiten aus dem rheumatischen Formenkreis, an den Spätfolgen eines Diabetes mellitus oder einer neuropathischen Erkrankung, etwa nach einer Gürtelrose.
Zahlreiche Instrumente dienen der Schmerzerfassung
In den letzten Jahren wurden unterschiedliche Verfahren zur Erfassung von Schmerzen entwickelt. Die meisten Instrumente dienen der Selbsteinschätzung. Das bedeutet, Ihr Bewohner gibt Ihnen anhand der Instrumente die Schmerzintensität an. Das setzt natürlich voraus, dass er kognitiv erfassen kann, was Sie von ihm wollen. Bei Bewohnern mit einer starken Bewusstseinseinschränkung, z. B. bei fortgeschrittener Demenz, kann daher eine Fremdbeobachtung notwendig sein.
Bedenken Sie aber: Solange es möglich ist, müssen Sie immer die Selbsteinschätzung einer Fremdbeobachtung vorziehen, da nur Ihr zu Pflegender genau weiß, wie viele Schmerzen er hat.
Machen Sie die Numerische Analogskala NAS zu einem Schmerzthermometer! Viele alte Menschen haben ein eingeschränktes Sehfeld. Das hat zur Folge, dass horizontale Darstellungen schlechter erkannt werden können. Wenn zudem noch eine leichte Demenz vorliegt, ist es sinnvoll, mit dem Altgedächtnis Ihrer zu Pflegenden zu arbeiten. Die meisten Menschen kennen aus ihrem Leben ein Thermometer, hingegen haben nur wenige mit einem Lineal gearbeitet. Nehmen Sie also Ihre NAS, und drehen Sie diese um 90°, sodass eine vertikale Skala entsteht, bei der die 0 unten und die 10 oben steht. Jetzt haben Sie ein Schmerzthermometer, und Ihr Pflegekunde mit einer mittleren Demenz kann eher seine Selbsteinschätzung mitteilen.
Das überprüft der MDK an Ihrem Schmerzmanagement
Mittlerweile interessiert sich auch der MDK für Ihr Schmerzmanagement. Im Rahmen der Transparenzkriterien überprüft der MDK:
ob Sie ein Schmerzmanagement haben,
ob Ihre zu Pflegenden auch die verordneten Schmerzmedikamente erhalten. Das überprüft er anhand der Dokumentation,
ob Sie mit dem Hausarzt kooperieren, insbesondere dann, wenn die angeordneten Medikamente nicht wirken. Hier möchte der MDK wissen, ob Sie sich gegenüber dem Hausarzt behaupten und nicht zu schnell nachgeben.
Besprechen Sie diese Kriterien im Team. Schauen Sie in den letzten Transparenzbericht, ob Sie den Anforderungen
des MDK entsprochen haben.
Das sind Instrumente der Selbsteinschätzung
Die richtige Schmerzskala für Ihre Pflegekunden
Zur Einschätzung von Schmerzen sind Schmerzskalen in der Palliativpflege zwischenzeitlich unverzichtbare Instrumente geworden. Denn es gibt wohl kaum eine schlimmere Vorstellung, als unter starken Schmerzen zu leiden, und niemand beurteilt sie richtig. Zwischenzeitlich gibt es eine ganze Reihe von verschiedenen Schmerzerfassungsinstrumenten, die Sie bei Ihren Pflegekunden einsetzen können. Aber nicht jedes Instrument und jede Schmerzskala eignet sich gleich gut für jede Personengruppe.
Sehr häufig werden in der Palliativversorgung zur Schmerzerfassung so genannte Schmerzskalen eingesetzt. Ihr Vorteil liegt dabei klar auf der Hand: Sie sind rasch und ohne große Mühe einsetzbar und der Erfolg der eingeleiteten Therapie ist schnell evaluierbar. Häufig genutzte Schmerzskalen sind z.B. die VAS Schmerzskala und die BESD Schmerzskala. Die nachfolgende Übersicht zeigt Ihnen, welche Schmerzskala sich wann und für welchen Pflegekunden eignet.
Verbale Rating-Skala (VRS)
Selbsteinschätzungsskala: Es werden dem Betroffenen 5 Wortkombinationen vorgegeben. Er soll diejenige Kombination aussuchen, die seinen Schmerz am besten widerspiegelt. Folgende Wortkombinationen werden verwandt:
0 = kein Schmerz
1 = leichter Schmerz
2 = mittelstarker Schmerz
3 = starker Schmerz
4 = sehr starker Schmerz
5 = maximal vorstellbarer Schmerz
Besonders geeignet für Patienten, die orientiert sind, aber sich nicht lange konzentrieren können. Sehbehinderte Personen, da kein Hilfsmittel benötigt wird. Personen, die unter motorischen Einschränkungen leiden.
Visuelle Analog-Skala (VAS)
Selbsteinschätzungsskala: Auf einer 10 cm langen Linie angelegt. Der Anfangspunkt wird mit „kein Schmerz“ betitelt, der Endpunkt mit „stärkster vorstellbarer Schmerz“. Nun kann der Betroffene auf der Linie angeben, wo seine Schmerzintensität gerade liegt. Mit Hilfe eines Lineals kann die Schmerzstärke dann genau ermittelt werden. Die Anzahl der cm entspricht der jeweiligen Schmerzstärke.
Besonders geeignet für Betroffene, die nicht mehr gut mit Zahlen umgehen können und für die eine Numerische Skala weniger gut geeignet ist. Ältere und auch schon kognitiv beeinträchtigte Menschen. Es hat sich gut bewährt, die Skala bei älteren Menschen vertikal zu nutzen. Sie ähnelt dann in ihrer Form einem Fieberthermometer.
Numerische Analog-Skala (NAS)
Selbsteinschätzungsskala: Grundsätzlich gleich aufgebaut wie die VAS. Auf einer 11 cm langen Linie werden die einzelnen Schmerzstufen mit einem Abstand von 1 cm mit einem Zahlenwert von 0–10 unterteilt. 0 entspricht hier „kein Schmerz“, 10 ist „stärkster vorstellbarer Schmerz“. Die jeweilige Zahl entspricht der jeweiligen Schmerzstärke.
Besonders geeignet für Patienten, die orientiert sind und eine Verbindung von den Zahlen zur Schmerzstärke herstellen können.
Smiley-Analog-Skala (SAS)
Selbsteinschätzungsskala: Sie besteht aus 5–6 Smiley-Gesichtern, die den aktuellen Schmerzzustand wiedergeben sollen.Der Betroffene wählt das Gesicht aus, das seinem eigenen Schmerzempfinden am nächsten kommt.
Besonders geeignet für: Gut in der Altenpflege einsetzbar. Demenzerkrankte Menschen können mit Hilfe dieser Skala noch lange eine aussagekräftige Auskunft über ihren aktuellen Schmerz geben. Gut bei Kindern ab dem 3.–4. Lebensjahr einsetzbar
Beurteilung von Schmerz bei Demenz (BESD)
Fremdeinschätzungsinstrument: Am effektivsten in Form eines Beobachtungsbogens. Es wird das Verhalten des Betroffenen von einer außenstehenden Person (meist einer Pflegefachkraft) beobachtet und in einem vorgegebenen Fragebogen dokumentiert. Bestimmte Beobachtungen zu Atmung, Gesichtsausdruck, Körpersprache und Trost sind einem Punktwert von 0–2 zugeordnet. Am Ende werden die erreichten Punkte zusammengezählt. Der Score (maximal 10 Punkte) gibt dann Auskunft über die Schmerzintensität.
Besonders geeignet für: Gut einsetzbar bei demenziell erkrankten Personen, die sich verbal nicht mehr über ihr eigenes Schmerzempfinden äußern können. Bei demenziell erkrankten Personen sollte das Schmerzinstrument nur eines von mehreren Mitteln sein, um eine umfassende Schmerzerfassung durchzuführen.
Grundsätzlich sollten Sie es Ihrem Pflegekunden ermöglichen, seine Schmerzen mit Hilfe einer für ihn geeigneten Schmerzskala selbst zu bestimmen. Schmerz ist immer ein individuelles Empfinden und Erleben. Selbst, wenn sie den Pflegekunden seit geraumer Zeit behandeln, so kann nur der Betroffene selbst um die Stärke seiner Schmerzen wissen. Die Schmerzeinschätzung mit Hilfe eines Fremdeinschätzungsbogens ist immer abhängig von der einschätzenden Person. Es kann daher vorkommen, dass vorhandene Schmerzen nicht oder nicht in ausreichender Form festgestellt werden.